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Rückkehr der Angelologie in den wissenschaftlichen Diskurs

Emil Páleš
(Ein Bericht für Anthroposophie weltweit)

Am 24. Oktober 2002 fand am Lehrstuhl der Allgemeinen Geschichte an der Komensky-Universität ein interdisziplinäres Kolloquium statt.  Das Thema lautete: „Angelologie der Geschichte. Synchronizitäten und Periodizitäten in der Geschichte“. Fast ein Dutzend Historiker, Philosophen, Theologen, Psychologen, Religionswissenschaftler, Kunsthistoriker, Mathematiker und Chronobiologen trafen sich, um in ihren eigenen Beiträgenzu dem unlängst erschienenen gleichnamigen Werk von Dr. Emil Pales Stellung zu nehmen.

Dr. Pales hat seine zwölfjährige Forschungsarbeit in einem überraschenden Ergebnis zusammengefasst: einen Teil der Engellehre des Mittelalters und des Altertums, und zwar die Lehre über die Zeitgeister, kann man empirisch bestätigen. Als Mathematiker und Computerwissenschaftler vom Fach hat Dr. Pales die Weltgeschichte auf Synchronizitäten und Rhythmen durchforscht. Die sog. „axiale Epoche“von Karl Jaspers – 600-300 v. Chr., als die großen Denker und Religionsstifter gleichzeitig an mehreren Orten der Welt erschienen – ist das bekannteste Beispiel einer geschichtlichen Synchronizität. Dr. Pales zeigte, dass die Synchronizität keine Ausnahme, sondern eine Regelmäßigkeit in der Geschichte darstellt. Hunderte von Beispielen kann man seit der Steinzeit bis in die Gegenwart identifizieren. Nicht nur Philosophen, sondern auch Priester, Dichter, Ärzte, Mathematiker, Astronomen, Historiker, Maler, Musiker, Architekten, Heerführer und Könige empfangen gleichzeitig dieselbe (oder eine ähnliche) Inspiration an fern liegenden Orten der Erde, ohne voneinander zu wissen. Diese schöpferischen Impulse kehren regelmäßig, in bestimmten Rhythmen, die statistisch signifikant und nachweisbar sind, wieder.

Die größte Herausforderung für die gegenwärtige Wissenschaft ist aber die Tatsache, dass diese Rhythmen schon seit Jahrtausenden bekannt und von den Priestern Altbabyloniens vorausgesagt worden sind. Es handelt sich um den hieratischen babylonischen Kalender, nach dem sich die sieben Planetengötter alle 72 Jahre als waltende Zeitgeister ablösen, und um eine gnostische Überlieferung, die 1509 der Abt Johannes Trithemius von Sponheim erwähnt, dass sich die sieben Erzengel (den sieben geistigen Intelligenzen der Planeten in unserem Sonnensystem entsprechend) auch in längeren Zeitabschnitten von je 354 Jahren zyklisch ablösen. Die tatsächlichen Wellen des Kulturwachstums entsprechen den Daten, die auf Tausende Jahre alten Tontafeln stehen, sehr genau. Berühmte Ärzte erscheinen regelmäßig und synchron in den Zeitaltern des Erzengels Raphael (Merkur), also des traditionellen Patrons der Medizin;die größten Dichter in den Zeitaltern des Anael (Venus), des Inspirators der Schönheit und Liebe; die Historiker in den Zeitaltern Oriphiels (Saturnus) usw.

Zweierlei Fragen standen im Zentrum des Kolloquiums:

1) Faktographische Frage: Gibt es wirklich Synchronizitäten, Periodizitäten oder Rhythmen in der Geschichte, als eine empirische Tatsache, die man beweisen kann?

2) Methodologische Frage: Falls geschichtliche Synchronizitäten und Rhythmen eine Tatsache sind, was verursacht sie? Gelingt es, ihre Existenzdurch bisher bekannte Faktoren zu erklären? Und wenn die idealistische Epistemologie genauere und erfolgreichere Voraussagen der soziologischen Entwicklung (auf Jahrtausende vorher) ermöglicht, was befugt uns weiterhin darauf zu bestehen, dass die materialistisch orientierte Epistemologie die einzig zulässige Wissenschaftsmethode ist?

Eine ganze Reihe von unabhängigen Studien hat auf die erste Frage bereits eine positive Antwort gegeben.  Der führende Orientalist, Dr. Viktor Krupa, schlug vor das berühmte Werk „Konfigurationen des Kulturwachstums“ des amerikanischen Anthropologen A. L. Kroebers als Kontrollstudie zu benutzen. Entgegen der Erwartung der meisten Opponenten hat Kroebers Arbeit die angelologische Hypothese mehrfach bestätigt. Zwei weitere  soziologische Studien (von Sorokin und Lee) haben die von Dr. Pales vorausgesagte Kurve der Revolutionsindexen für die Geschichte Europas und Chinas bestätigt. Prof. Miroslav Mikulecky, ein anerkannter Chronobiologe, hat durch eine Computeranalyse die Rhythmen in der Geschichte der Poesie, Medizin und Geschichtsschreibung in acht Ländern bestätigt. Offensichtlich war es nur die materialistische Vorstellungswelt des 19. und 20. Jahrhunderts, die die Wissenschaftler für diese Rhythmen bisher blind gemacht hat.

Noch interessanter entfaltete sich die Diskussion zur zweiten Frage. Der Vorsitzende des Lehrstuhls, Doz. Miroslav Danis, trug eine verwandte Intuition in Anknüpfung an den russischen Gelehrten Vernadskij vor. Es mag eine selbstständige Noosphäre (Gedankensphäre) geben, wo sich Potenziale ansammeln, die sich in geschichtlichen Ereignissen sichtbar niederschlagen.

Prof. Mikulecky unternahm den Versuch, die festgestellten Rhythmen durch periodische Einwirkung der kosmischen physikalischen Felder zu klären – ohne Erfolg, weil in der Sonnenaktivität oder den Magnetfeldschwankungen der Erde keine entsprechenden Rhythmen zu finden sind. Ein noch größeres Hindernis ist, dass wir es hier mit einer qualitativen Zeitstruktur zu tun haben. Es ist schwer zu begreifen, wie ein qualitativ homogenes Magnetfeld einmal Dichter, ein anderes Mal Ärzte und wiederum geniale Astronomen hervorbringen könnte.

Ein bekannter Religionswissenschaftler aus Tschechien, Dr. Ivan Stampach, versuchte einen unterstützenden Rahmen für alternative Methodologie in der Wissenschaft zu entwerfen. Prof. Jan Bouzek, der Direktor des Instituts für klassische Archäologie  an der Karl-Universität in Prag (und zugleich der Vorsitzende der tschechischen Antroposophischen Gesellschaft), konnte nicht persönlich teilnehmen, sandte aber schriftlich eine Rezension zur „Angelologie“.

Ein Theologe aus der katholischen Fakultät der Theologie verfasste einen Beitrag, in dem er aber neben allgemeinen Feststellungen keinerlei sachliche Stellung zu der Neuentdeckung bezogen hat.

Dr. Zdenka Mackova fand die Terminologie von Dr. Pales für ihre Arbeit als Psychologin nützlich. Archetypische psychologische Strukturen, die aus der Entwicklungspsychologie für die Biografie des Einzelnen bekannt sind, tauchen auch in bestimmten Geschichtsperioden im Großen auf, und zwar in derselben Reihenfolge, was auf einen gemeinsamen Urgrund hinweist. Kindliche Züge tauchen in manchen Perioden wie im Barock auf, eine „Weltpubertät“ ist in Romantismen und Revolutionsepochen abzulesen, ein Greisenaltersyndrom in konservativ geprägten Perioden.

Mgr. Pavol Haviernik, ein junger Assistent, der sich mit Philosophie der Geschichte beschäftigt, wollte ein Team bilden, um einige Partien aus dem Buch genauer zu überprüfen. Mehrere Studenten knüpfen an die Angelologie in ihren Diplomarbeiten an.

Was ist der Unterschied zwischen dem Vorgehen von Dr. Pales und von Isaac Newton, der eine unsichtbare Kraft vorausgesetzt hat aufgrund ihrer regelmäßigen Wirkungen? Sind wir als Wissenschaftler berechtigt, unsichtbare Engelkräfte zu denken nur aufgrund ihrer messbaren äußeren Wirkungen? Oder sind Engel sichtbar? Ist der Begriff des Engelsempirisch oder nur theoretisch? Macht es die Gleichzeitigkeit der Engelerfahrungen bei den Genies nicht offensichtlich, dass wir es hier mit wirklichen introspektiven Wahrnehmungen zu tun haben anstatt mit Fantasie? Ist die Locke´sche These, die alle Erfahrung auf äußere Sinne begrenzt, eine Bremse der Wissenschaft? Sollte man nicht besser über zwei Arten von Empirie, über leibliche, nach außen gekehrte Sinne und geistige, nach innen gekehrte Sinne, sprechen?

Ist wissenschaftliches Vorgehen notwendigerweise an die materialistische Weltanschauung gebunden? Die „Angelologie der Geschichte“von Dr. Pales liefert ein konkretes Beispiel dafür, dass eine Wissenschaft in Verbindung mit idealistischen philosophischen Voraussetzungen fruchtbar sein kann und sogar (mindestens in gewissen Richtungen) erfolgreicher und exakter als die materialistisch orientierte Wissenschaft. Die Reaktion der akademischen Fachwelt darauf ist noch inkohärent. Das Werk von Dr. Pales sprengt den Rahmen der üblichen wissenschaftlichen Methodologie. Aber die Ergebnisse sind greifbar und unumstritten. Soll man den Begriff der wissenschaftlichen Methode erweitern?

Es ist ein feierlicher Augenblick, wenn man jetzt in der ältesten slowakischen Universität nach Jahrhunderten wieder die Wirklichkeit der Engel ernsthaft diskutiert.  

Mehr über die „Angelologie der Geschichte“ finden Sie unter: www.sophia.sk